Funktionsverlagerung

Funktions­verlagerung – drei Verschärfungen ab 2022

1. Einführung

Wenn du als Unternehmer planst auszuwandern und dabei dein Unternehmen ins Ausland verlagern möchtest (sog. Funktionsverlagerung), solltest du das noch in 2021 umsetzen.

Warum?

Am 28.05.2021 hat der Bundesrat dem Gesetz zur Modernisierung der Entlastung von Abzugsteuern und der Bescheinigung der Kapitalertragssteuer, dem Abzugsteuer­entlastungs­modernisierungs­gesetz (AbzSTEntModG), zugestimmt. Somit folgen neben dem ATAD-Umsetzungsgesetz („ATADUmsG“) weitere Verschärfungen der bisherigen Gesetzeslage [siehe hierzu: Auswandern unbedingt noch in 2021 – Das ATAD-UmsG kommt!].

In diesem Artikel erkläre ich dir, welche Verschärfungen durch das AbzSTEntModG auf Unternehmer zukommen, die ihr Unternehmen ins Ausland verlagern (Funktionsverlagerung). Das betrifft grundsätzlich alle Rechtsformen und greift insbesondere immer dann, wenn du dein Unternehmen im Rahmen deiner Auswanderung in Deutschland aufgibst bzw. liquidierst und im Ausland weiterführst.

Inhalt

2. Warum gibt es das AbzSTEntModG?

Das Abzugssteuer­entlastungs­modernisierungs­gesetz (AbzSTEntModG) soll in erster Linie rechtliche Grauzonen in der internationalen Steuergestaltung schließen.

Besonders die derzeitigen gesetzlichen Regelungen zur Verlagerung von Unternehmen ins Ausland scheinen dabei im Fokus zu liegen. Insbesondere die bisherigen Erleichterungen über die Escape-Klauseln bei Unternehmens- bzw. Funktionsverlagerungen erfahren massive Verschärfungen.

Was eine Funktionsverlagerung ist, habe ich in diesem Steuer-Glossar erklärt.

Die Änderungen zur Funktionsverlagerung sollten ursprünglich über das ATADUmSG umgesetzt werden. Im Gesetzgebungsprozess wurden diese dann aus dem ATADUmSG herausgenommen und in das AbzSTEntModG integriert. Thematisch haben die Änderungen zur Funktionsverlagerung also wenig mit einer Abzugssteuerentlastung zu tun. Dennoch haben diese Änderungen gerade für Auswanderer mit einem Unternehmen enorme Auswirkungen.

3. Was sind die 3 wichtigsten Verschärfungen bei der Funktions­verlagerung ab 2022?

Bei jeder Verlagerung eines deutschen Unternehmens auf ein Unternehmen im Ausland gehen die entsprechenden materiellen und immateriellen Wirtschaftsgüter sowie sonstige Vorteile (inkl. damit einhergehende Chancen und Risiken) über.

Das gilt unabhängig von der bisherigen Rechtsform in Deutschland, also genauso für Einzelunternehmen, Personengesellschaften und Kapitalgesellschaften wie GmbHs und UGs. Durch die Verlagerung kann das Auslandsunternehmen die entsprechende Funktion, bei kleineren Unternehmen in der Regel den gesamten Geschäftsbetrieb, weiterführen.

Durch eine Funktionsverlagerung verliert Deutschland also das Besteuerungsrecht an dem Unternehmen bzw. den Vermögenswerten.

Die zentrale Frage dabei: Werden durch die Funktionsverlagerung stille Reserven aufgedeckt? Werden also insbesondere immaterielle Wirtschaftsgüter ins Ausland verlagert und wenn ja, was sind diese bzw. was ist dein Unternehmen wert?

Was stille Reserven und immaterielle Wirtschaftsgüter sind, habe ich in diesem Steuer-Glossar erklärt: https://easydigitax.de/steuer-glossar/stille-reserven-und-wegzugssteuern/

Meine Empfehlung: Das Thema Funktionsverlagerung ist derzeit schon sehr komplex. Ab 2022 kommen zusätzlich 3 massive Verschärfungen hinzu.

3.1. Verschärfung 1: Wegfall der 2. und 3. Escape-Klausel

Bereits nach der bisherigen Gesetzeslage ist die Besteuerung einer Funktionsverlagerung sehr umfassend. Die Bestimmung des steuerlich anzusetzenden Wertes der verlagerten Funktion (das verlagerte Unternehmen) muss durch eine sogenannte Transferpaketbewertung erfolgen. Damit ist die Bestimmung eines Gesamtpreises inklusive aller Wirtschaftsgüter, zum einen aus der Sicht des verlagernden Unternehmens und zum anderen aus der Sicht des übernehmenden Unternehmens gemeint.

Diese Transferpaketbewertung konnte bisher jedoch in den meisten Fällen mittels den sog. Escape-Klauseln (Öffnungsklauseln) vermieden werden. Dann mussten nur Einzelverrechnungspreise für die übertragenen Wirtschaftsgüter angesetzt werden (mehr dazu in Abschnitt 4.2 in diesem Fachartikel.

Meine Empfehlung: Zukünftig müsste immer eine Transferpaket­bewertung erstellt werden, wenn (auch) immaterielle Wirtschaftsgüter ins Ausland verlagert werden.

3.2. Verschärfung 2: Massive Einschränkung der 1. Escape-Klausel

Lediglich die 1. Escape-Klausel soll weiterhin bestehen bleiben. Diese kann der Steuerpflichtige nur nutzen, wenn er glaubhaft macht, dass weder wesentliche immaterielle Wirtschaftsgüter noch sonstige Vorteile Gegenstand der Funktionsverlagerung sind (z.B. Verlagerung von Routinefunktionen).

Durch das AbzSTEntModG kommt es durch § 1 Abs. 3b Satz 2 und 3 AStG n.F. jedoch zu einer massiven Verschärfung bei der 1. Escape-Klausel:

„Hiervon kann abgesehen werden, wenn der Steuerpflichtige glaubhaft macht, dass weder wesentliche immaterielle Wirtschaftsgüter noch sonstige Vorteile Gegenstand der Funktionsverlagerung waren. Dies gilt dann, wenn das übernehmende Unternehmen die übergehende Funktion ausschließlich gegenüber dem verlagernden Unternehmen ausübt und das Entgelt, das für die Ausübung der Funktion und die Erbringung der entsprechenden Leistungen anzusetzen ist, nach der Kostenaufschlags­methode zu ermitteln ist.“

Das bedeutet, die 1. Escape-Klausel dürfte nur noch in Fällen greifen, wo eine Routinefunktion an ein Auslandsunternehmen ausgelagert und die Tätigkeit zukünftig ausschließlich für das bisherige Unternehmen in Deutschland ausgeübt wird (in Anlehnung an § 2 Abs. 2 der Funktionsverlagerungsverordnung).

Für Auswanderer würde das nur funktionieren, wenn das deutsche Unternehmen bestehen bleibt und weitgehend unverändert weitergeführt wird. Das wird in den meisten Fällen keinen Sinn machen.

Meine Empfehlung: Zukünftig dürfte bei fast allen Verlagerungen eines deutschen Unternehmens auf ein Auslandsunternehmen eine (sehr aufwendige) Transferpaketbewertung notwendig sein. Egal wie viel Umsatz bzw. Gewinn du bisher mit deinem Unternehmen in Deutschland erzielst und welche Rechtsform du hast.

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Exkurs: Einführung einer Legaldefinition des Transferpaket

Ebenfalls wird durch das AbzSTEntModG erstmalig eine Legaldefinition des Transferpaket in § 1 Abs. 3b Satz 1 AStG n.F. eingeführt:

„(3b) Wird eine Funktion einschließlich der dazugehörigen Chancen und Risiken sowie der mitübertragenen oder mitüberlassenen Wirtschaftsgüter oder sonstigen Vorteile verlagert und ist auf die verlagerte Funktion Absatz 3 Satz 7 anzuwenden, weil für die Verlagerung der Funktion als Ganzes (Transferpaket) keine Vergleichsdaten festgestellt werden können, ist der Einigungsbereich auf der Grundlage des Transferpakets zu bestimmen.“

§ 1 Abs. 3 Satz 7 AStG n.F. enthält dabei folgende Regelung:

„Können keine Vergleichswerte festgestellt werden, ist für die Bestimmung des Fremdvergleichspreises ein hypothetischer Fremdvergleich unter Beachtung des Absatzes 1 Satz 3 aus Sicht des Leistenden und des jeweiligen Leistungsempfängers anhand ökonomisch anerkannter Bewertungsmethoden durchzuführen.“

Externe Vergleichswerte bzw. Marktpreise dürften für individuelle immaterielle Wirtschaftsgüter bzw. ganze Unternehmen nie vorhanden sein. Damit greift immer der hypothetische Fremdvergleich bzw. die Transferpaketbewertung.

Dadurch wurden die Regelungen zur Funktionsverlagerung weiter gestrafft. Während nach bisheriger Rechtslage darauf abgestellt wurde, dass Wirtschaftsgüter und sonstige Vorteile verlagert werden, fordert die Neuregelung nur noch die Verlagerung eines der beiden Wirtschaftsgüter oder sonstige Vorteile.

Neu hinzu kommt die zweiseitige Betrachtung bei der Bewertung des Transferpakets, welche sich fortan auch nach dem Übernehmer und damit danach richtet, ob ein fremder Dritter bereit wäre, für das Transferpaket ein Entgelt zu entrichten.

3.3. Verschärfung 3: Konkretisierung der Preisanpassungsklauseln

Mit dem AbzSTEntModG wird die bisherige Preisanpassungsklausel des § 1 Abs. 3 Satz 11 f. AStG a.F. konkretisiert und erhält in § 1a AStG n.F. einen eigenen Paragrafen:

§ 1a Satz 1 AStG n.F.:

„Sind wesentliche immaterielle Werte oder Vorteile Gegenstand einer Geschäftsbeziehung und weicht die tatsächliche spätere Gewinnentwicklung erheblich von der Gewinnerwartung ab, die der Verrechnungspreisbestimmung zugrunde lag, ist widerlegbar zu vermuten, dass zum Zeitpunkt des Geschäftsabschlusses Unsicherheiten im Hinblick auf die Verrechnungspreisvereinbarung bestanden und unabhängige Dritte eine sachgerechte Anpassungsregelung vereinbart hätten.“

Es sollte also immer eine (vertragliche) Preisanpassungsklausel vereinbart werden.

Andernfalls greift die gesetzliche Preisanpassungsklausel in § 1a Satz 2 AStG n.F. Unter anderem wurde dabei der Anpassungszeitraum von 10 auf 7 Jahre herabgesetzt.

Bei der gesetzlichen Preisanpassungsklausel wird künftig in Fällen der Übertragung eines wesentlichen immateriellen Werts der angemessene Anpassungsbetrag im achten Jahr nach Geschäftsabschluss besteuert, wenn innerhalb von sieben Jahren nach Geschäftsabschluss die tatsächliche Gewinnentwicklung erheblich von der Gewinnerwartung abweicht und keine Preisanpassungsklausel vereinbart wurde, die unabhängige Dritte vereinbart hätten.

Eine erhebliche Gewinnentwicklung soll anzunehmen sein, wenn der Fremdvergleichspreis anhand der tatsächlichen Gewinnentwicklung um mehr als 20 Prozent vom vereinbarten Verrechnungspreis abweicht.

Meine Empfehlung: Auch schon bisher war eine vertragliche Preisanpassungsklausel zu empfehlen, wenn (auch) wesentliche immaterielle Werte verlagert werden. Das dürfte zukünftig an Bedeutung gewinnen.

Funktionsverlagerung

4. Fazit

Derzeit (Stand Ende Juli 2021) kann kaum abgeschätzt werden, wie durch den tatsächlichen Wegfall der 3. Escape-Klausel und dem faktischen Wegfall der 1. Escape-Klausel für Auswanderer Unternehmensverlagerungen ab 2022 behandelt werden sollen. Grundsätzlich müsste in fast allen Fällen eine umfassende Transferpaketbewertung notwendig sein.

Eins ist jedoch klar, einfacher als bis Ende 2021 wird deine Auswanderung künftig nicht mehr werden.

Zwei massive Gesetzesänderungen in so kurzer Zeit? Wie die Zukunft sich entwickelt, ist schwer zu prognostizieren, jedoch macht der Gesetzgeber mit dem ATAD-Umsetzungsgesetz sowie dem Abzug­steuer­entlastungs­modernisierungs­gesetz seinen Willen deutlich, rechtliche Grauzonen weiter zu schließen und damit die Möglichkeiten der internationalen Steuergestaltung gerade auch für kleine- und mittelständische Unternehmen weiter zu erschweren. Somit sind auch gerade in Zukunft weitere Hürden auf dem Weg deiner rechtssicheren Auswanderung zu erwarten, weshalb es immer empfehlenswert ist, bereits im Vorfeld strategisch vorzugehen und sich über die wichtigsten Einflussfaktoren und Herausforderungen bewusst zu werden, um diese bestenfalls erst gar nicht entstehen zu lassen.

Mein Fokus ist deine rechtssichere Auswanderung und eine entspannte Umsetzung mit dem deutschen Finanzamt. Erst im zweiten Schritt sollte es dabei um das Steuern sparen gehen.

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Michael Wohlfart

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